Freiheit für Max! Freiheit für alle Gefangenen!

Wir dokumentieren hier den Beitrag einiger Anarchist*innen anlässlich der globalen Aktionswoche in Solidarität mit anarchistischen Gefangenen, der bei Indymedia erschienen ist:

 

Im Rahmen der globalen Aktionswoche in Solidarität mit anarchistischen Gefangenen haben wir heute in unmittelbarer Nähe des „Frauen“gefängnisses München sowie der JVA Stadelheim ein Transparent mit der Aufschrift „Freiheit für alle Gefangenen. Abolish Prisons. Free Max.“ aufgehängt.

Gefängnisse dienen dem Staat dazu, abweichendes Verhalten – auch als Verbrechen bezeichnet – zu bestrafen und zugleich ein abschreckendes Exempel zu statuieren. Im Gegensatz zu dem gängigen Narrativ von Personen, vor denen die Gesellschaft geschützt werden müsse, findet mensch in Gefängnissen zur überwiegenden Mehrheit hauptsächlich Menschen, die dort aufgrund ihrer Armut, ihrer Hautfarbe oder ihrer politischen Einstellung sind. Viele Menschen befinden sich nur deshalb im Gefängnis, weil sie nicht in der Lage waren, eine Geldstrafe zu bezahlen. Oft handelt es sich dabei sogar um „Delikte“, die Armut bestrafen: Zahlreiche Menschen sitzen beispielsweise deswegen im Knast, weil sie sich kein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr leisten konnten, jedoch gezwungen waren, diesen trotzdem zu nutzen. Zugleich ist auch zu beobachten, dass überdurchschnittlich viele Personen of Color und Angehörige von marginalisierten Minderheiten in den deutschen Gefängnissen anzutreffen sind. Das hat ganz offensichtlich rassistische Ursachen, zum Beispiel racial profiling bei der Polizei, sowie eine oft härter ausfallende Bestrafung vor Gericht und auch rassistische Gesetze, die Menschen wegen ihrer Herkunft, Staatsbürgerschaft oder Hautfarbe diskriminieren (Stichwort: Integrationsgesetze, sowie Asylgesetze). Auch Menschen, die das erhabene Selbstbild der deutschen Mehrheitsgesellschaft stören, etwa Obdachlose finden sich häufig in Gefängnissen wieder. Gründe dafür konstruieren Bullen, die sie regelmäßig mit Kontrollen schikanieren am laufenden Band. In München beispielweise findet unter der zynischen Bezeichnung „Schwerpunktkontrollen am Hauptbahnhof“ eine regelrechte Vertreibung von Obdachlosen statt. Auf diese Weise konstruierte Ordnungswidrigkeiten wie das Nicht-Nachkommen eines Platzverweises oder eines Verstoßes gegen das Alkoholverbot am Hauptbahnhof können dabei schnell zu einer Ersatzfreiheitsstrafe führen.

Aber auch wenn mensch dem Narrativ folgt, dass Gefängnisse der Unterbindung von schädlichem Verhalten gegenüber Menschen dienen, muss mensch feststellen, dass Gefängnisse diesem Anspruch keineswegs gerecht werden. Gefängnisse sind keine Orte, an denen eine transformative Täter*innenarbeit möglich ist, sondern dienen lediglich der Bestrafung.

Wir lehnen Gefängnisse aus diesen Gründen ab! Gefängnisse dienen lediglich dazu, Menschen gefügig zu machen und Herrschaft über sie auszuüben.

Mit unserer Aktion wollen wir außerdem unsere Solidarität mit dem Gefangenen Max ausdrücken. Max ist ein politischer Gefangener, der derzeit seit fast einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt und auf seinen Prozess wartet. Die Bullen werfen Max vor, mehrere hundert Graffiti im gesamten Münchner Stadtgebiet angebracht zu haben, die zum Teil staatskritische und antifaschistische Botschaften enthielten. Weil die Bullen wochenlang keine Ermittlungserfolge erzielen konnten, präsentierten sie der Öffentlichkeit die Gefangennahme von Max und einer weiteren Person, die sich mittlerweile wieder auf freiem Fuß befindet, umso stolzer. Die Presse, die sich zuvor kräftig an der Hetzjagd nach den Verantwortlichen für die Graffiti beteiligt hatte, nahm das dankbar an. Seitdem ist der Fall für sie abgeschlossen. Dass Max wegen ein paar Graffiti seit nun fast einem Jahr ohne Prozess in Untersuchungshaft sitzt und dabei unter verschärften Haftbedingungen zu leiden hat, ist der Presse keinen Bericht mehr wert.
Wir haben Max nicht vergessen und wollen die Öffentlichkeit mit unserer Aktion an ihn erinnern.

Freiheit für Max!

Freiheit für alle Gefangenen!

Feuer den Knästen!

Quelle: https://de.indymedia.org/node/23887

Die Rolle der Gefängnisse innerhalb der Gesellschaft

Anlässlich der globalen Aktionswoche in Solidarität mit anarchistischen Gefangenen haben wir einen Text über die Rolle der Gefängnisse in der Gesellschaft verfasst. Diesen Text haben wir als Flyer verteilt, um auf den Themenkomplex des weltweiten Gefängnissystems aufmerksam zu machen.

Stell dir vor dir würde von einem Tag auf den nächsten die Kontrolle über dein Leben genommen werden. Viele Entscheidungen, beispielsweise wann du isst, wann du schläfst, wann du andere Menschen treffen kannst – und welche anderen Menschen –, ob und welche Bücher du lesen darfst würden von anderen Menschen für dich getroffen. Stell dir vor, du würdest gezwungen werden, für einen Tageslohn von rund 8 Euro zu arbeiten und irgendwer würde dich trotzdem zwingen, einen Teil dieses Geldes zu sparen. Stell dir vor, es gäbe Menschen die du jeden Tag sehen musst, von denen du abhängig bist und die dich jederzeit verprügeln können – und die das auch tun –, ohne dass das Konsequenzen für sie hat. Stell dir vor, du wärst krank aber darfst erst in einer Woche zum Arzt. Für viele Menschen weltweit ist das und Schlimmeres bittere Realität. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und für viele sogar Jahr um Jahr.

Die Rede ist hier von Gefängnisinsass*innen. Die gibt es überall auf der Welt, in manchen Ländern gibt es mehr, in anderen Ländern weniger, aber immer handelt es sich um Menschen, die sich nicht konform zur jeweiligen Gesellschaft verhalten (haben), auffällig häufig auch um Angehörige marginalisierter Gruppen. Rund 10 Millionen Menschen befinden sich weltweit in Gefängnissen (vgl. World Prison Brief 2017), das sind rund 1,3 Promille (0,13 Prozent) der Weltbevölkerung. Dabei sind viele Menschen, die sich in gefängnisähnlichen Situationen befinden, etwa in diversen Lagern für flüchtende Menschen, in dieser Statistik überhaupt nicht berücksichtigt.

Die Situation der Gefangenen ist in jedem Gefängnis prekär! Viele Rechte, die andere Bürger*innen des jeweiligen Staates haben, gelten für Gefangene nicht. Auch grundlegende Menschenrechte werden systematisch missachtet. Ein Recht auf körperliche Unversehrtheit gibt es in Gefängnissen nicht: Die Haftbedingungen fördern Krankheiten, der Besuch bei einem*einer Ärzt*in ist oft erst Tage später möglich und die zahlreichen bekannten Übergriffe auf Gefangene durch das Gefängnispersonal sind keine Zufälle sondern ein zentrales Element des repressiven Gefängnissystems. Auch die Ausbeutung der Arbeitskraft Inhaftierter könnte kaum menschenverachtender sein: Arbeitsrechtliche Bestimmungen gelten im Gefängnis nicht. Die Gefangenen müssen für lächerlich niedrige Tageslöhne (teilweise etwa rund 8 Euro pro Tag) arbeiten, an vielen Orten dieser Welt werden sie für ihre Arbeit gar nicht bezahlt. Neben Arbeiten zur Aufrechterhaltung des Gefängnisbetriebs müssen viele Inhaftierte auch Arbeiten für Firmen verrichten, die von den sklavereiähnlichen Zuständen in den Gefängnissen gerne profitieren. Neben den Gängelungen durch das Gefängnissystem selbst erfahren Gefangene oft auch einen sozialen Ausschluss. Dabei sind es nicht nur bestehende Sozialkontakte, die oft unter aktiver Mitwirkung des Gefängnissystems im Laufe einer längeren Gefangenschaft zemürbt werden, sondern ein Gefängnisaufenthalt wirkt sich auch negativ auf zukünftige Sozialkontakte und Chancen der gesellschaftlichen Teilhabe aus: In vielen Bereichen der Wirtschaft werden Menschen später nicht mehr eingestellt werden, weil sie schon einmal im Gefängnis waren, viele Menschen verurteilen andere Menschen, die schon einmal im Gefängnis waren pauschal und wollen nichts mit ihnen zu tun haben und zuweilen stehen ehemaligen Strafgefangenen bestimmte Angebote der öffentlichen Hand nicht mehr zur Verfügung.

Das alles sind keine Missstände, die nur in den Gefängnissen von für menschenfeindliche Handlungen bekannten Diktaturen beobachtet werden können. Es sind Zustände, wie sie hier in Deutschland, sowie fast überall auf der Welt herrschen. Sicher gibt es qualitative Unterschiede zwischen den Gefängnissystemen der Länder, aber die hier beschriebenen Zustände sind eine Art Konsens aller Länder, von dem es fast nur Abweichungen nach unten gibt.

Gefängnisse sind ganz eindeutig eine gesamtgesellschaftliche Institution der Unterdrückung, selbst wenn weite Teile der Gesellschaft keinerlei Vorstellung von den Zuständen in Gefängnissen haben, befürworten sie diese. Übrigens ist es bei näherem Hinsehen keineswegs außergewöhnlich, dass die Menschen kaum eine Vorstellung davon haben, wie der Alltag in den Gefängnissen, die sie befürworten, aussieht. Beinahe alle konkreten repressiven und gewaltvollen Maßnahmen, die eine Gemeinschaft zu ihrem (vermeintlichen) Schutz vor „den Anderen“ gutheißt, finden hinter den Vorhängen statt. Das bedeutet es gibt kaum – und wenn doch, dann keinesfalls objektive – mediale Berichterstattung, das Ganze findet meist abseits der Blicke der Gesellschaft statt und die Betroffenen der Maßnahmen werden oft so sehr eingeschüchtert, dass sie es nicht wagen, von ihren Erfahrungen zu berichten oder sie werden daran anderweitig gehindert (beispielsweise können Personen, die abgeschoben werden über ihre Behandlung in Deutschland kaum mehr berichten, aber auch Menschen in Gefängnissen haben kaum Möglichkeiten, Menschen außerhalb von ihren Erfahrungen zu erzählen – teilweise weil sich einfach keine Person für sie interessiert, teilweise wird Post in der von Missständen in den Gefängnissen berichtet wird auch angehalten oder geht „verloren“). Tatsächlich interessieren sich die meisten Menschen aber schlicht nicht für die prekären Lebensbedingungen von Gefangenen. Und wenn sie doch einmal unfreiwillig von den Missständen in Gefängnissen erfahren, wischen sie diese Kenntnis beiseite, indem sie von einer „gerechten Strafe“ oder „Notwendigkeit“ sprechen.

Das Gefängnis als ein Ort der „gerechten Strafe“ steht übrigens nicht in Widerspruch zu dem verbreiteten Bekenntnis zu „Resozialisierung“. Vielfach bedeutet das schließlich nichts anderes als eine Person unter Ausübung von Zwang (beispielsweise durch einen Gefängnisaufenthalt oder durch Bewährungsauflagen) dazu zu bringen, sich konform zur umgebenden Gesellschaft zu verhalten. Neben der Tatsache, dass das eine autoritäre Maßnahme zur Normierung der Mitglieder einer Gesellschaft ist, ist auch klar, dass dieses Unterfangen bei vielen Menschen scheitern muss: So werden beispielsweise in Deutschland PoC schlicht aus rassistischen Gründen als nicht zur Gesellschaft gehörig bzw. „abweichend“ betrachtet. Das ist ein gesellschaftliches und institutionelles Problem. Deshalb werden diese Menschen stärker beobachtet, öfter kontrolliert und zum Teil auch aus willkürlichen Gründen verhaftet. Die Folge: Diese Personengruppen sind in Gefängnissen überrepräsentiert, was wiederum die in der Gesellschaft vorhandenen rassistischen Vorurteile befeuert. Insgesamt ist zu beobachten, dass in Gefängnissen zumeist ein deutlich größerer Anteil der Inhaftierten Angehörige marginalisierter Minderheiten sind, als Angehörige der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft.

Das gibt auch Aufschluss über die eigentliche Rolle von Gefängnissen in unserer Gesellschaft. Sie sind zugleich das wohl härteste Instrument zur gewaltsamen Unterdrückung von „abweichendem“ Verhalten das dem Staat zur Verfügung steht, sowie ein Ort für all diejenigen, die von der Gesellschaft verstoßen wurden. Ziel eines Gefängnisaufenthalts ist es immer, die inhaftierte Person zu brechen und sie der gesellschaftlichen Norm anzupassen. Ist das nicht möglich, beispielsweise weil die Person aus rassistischen Gründen im Gefängnis sitzt, wird das Gefängnis zu einem Ort der Zerstörung dieser Person: Der gewaltsame Gefängnisalltag erfüllt dann nur noch den Sinn, die betroffene Person herabzuwürdigen und sie dem Bild, das die Gesellschaft von ihr hat, gleichzumachen. Für diese Personen ist das Gefängnis der Ort, an den sie von einer Gesellschaft, in der es (scheinbar) keinen Platz für sie gibt, verwiesen wurden.

Alle Gefangenen sind politische Gefangene!